Hans Dieter Schröder Stiftung
18. Februar 2021

Newsletter von straßenkinder e.V.

Eckhard Baumann, der Vorsitzende von straßenkinder e.V., die Träger des BOLLE Kinderhauses sind, hat in seinem Februar Newsletter die dramatischen Folgen der Corona-Epidemie gerade für Kinder aus bildungsfernen Familien geschildert.

Sozial benachteiligte Kinder sind von den Folgen des Lockdowns besonders betroffen. Laut der COPSY-Studie ist mittlerweile fast jedes dritte Kind psychisch auffällig. Die Sorgen und Ängste der Kinder haben mit dem zweiten Lockdown noch einmal zugenommen und auch depressive Symptome kann man verstärkt beobachten. Dass dies so ist, wurde eigentlich auch von Seiten der Politik registriert. Umso mehr überraschte uns daher, ausgerechnet am ersten Tag der Winterferien, die Nachricht aus der Berliner Senatsverwaltung, dass rund 400 Jugendhilfeeinrichtungen und damit auch unser Kinder- und Jugendhaus BOLLE ab sofort nur noch eine 1-zu-1-Betreuung anbieten dürfen, was faktisch eine Schließung bedeutete. Unser liebevoll und zeitaufwändig geplantes Ferienprogramm mit Hygienekonzept war somit hinfällig und die Vorfreude der Kinder auf etwas Ferienspaß in Krisenzeiten kaputt. Natürlich verstehen wir, dass auch wir unseren Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten müssen, aber die Schärfe und die Kurzfristigkeit der Verordnung fanden wir völlig inakzeptabel. Es kostete uns nachfolgend vier Tage, viel Kraft und einen Beitrag in der RBB-Abendschau, bis wir eine Sondergenehmigung bekommen haben. Nun können wir wieder in kleinen Gruppen mit bis zu 5 Kids gute Programme gestalten. In jedem bei BOLLE sinnvoll nutzbaren Raum finden nun wieder solche Angebote statt. Durch mehrere Schichten können wir so zumindest wieder 50%-60% der Kinder wie im Normalfall fördern. 

Viele Kinder haben seit Beginn der Corona-Krise nur wenige Monate regulären Unterricht gehabt. Deshalb haben wir in den letzten Wochen und Monaten wesentlich weniger Freizeitgestaltung angeboten, stattdessen aber viel mehr Bildungsinhalte. BOLLE ist aktuell eine Art Ersatzschule für Kinder mit Bildungslücken. D.h. in zugelassenen Kleingruppen von 5 Kindern wird mit unseren Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der Schulstoff gebüffelt, der ihnen sonst von niemandem erklärt würde. Die Lebenssituation vieler Kids im Umfeld von BOLLE sieht aktuell so aus: 

Kinder, Teenager und Jugendliche haben zu Hause keinerlei Hilfe, um den oft als PDF übermittelten Schulstoff zu verstehen, geschweige denn zu verarbeiten.

In etlichen Haushalten kommt der Schulstoff erst gar nicht an.

Schüler/innen, insbesondere mit Fluchthintergrund, verlieren vollständig den Anschluss an den Schulstoff, den sie ansonsten bei BOLLE in geschütztem Rahmen aufholen könnten. Ein Bsp. von letzter Woche: Ein syrischer Junge aus der zweiten Klasse konnte das Alphabet nicht, lernte bei uns innerhalb eines Tages aber die Worte Mama, Papa und Lama zu schreiben. Werden solche Kinder mit so großen Wissenslücken dann aber einfach versetzt, dann scheint das zunächst zwar nett für das Kind, aber der Schulstoff wird nie aufgeholt und neuer Schulstoff kann gar nicht erst erlernt werden.

Eltern, gerade aus bildungsfernen Haushalten, unabhängig welcher Herkunft, sind nicht in der Lage, den Schulstoff im Rahmen des Fernunterrichtes zielgerichtet an ihre Kinder zu vermitteln.

Bildungslücken, die bereits während des ersten Lockdowns entstanden sind, können unter diesen Randbedingungen nicht mehr geschlossen werden und werden bei ausbleibender Hilfe zu kompletten Bildungsabbrüchen führen.

Eine reine Online-Hausaufgaben/- Nachhilfe/-Schulstoff/-betreuung ist für diese Kinder viel zu wenig, da diese immer nur im 1:1 geschehen kann, viele Kinder mit dem technischen Handling überfordert sind, und die Betreuung so arbeitsintensiv ist, dass wir nur einen ganz kleinen Teil der Bedarfe damit abdecken können. Die technischen Voraussetzungen in den Familien sind nicht immer gegeben, besonders in Familien mit mehreren Kindern im Schulalter.

Kinder und Jugendliche in sozialen Problemlagen benötigen zumindest in kleinen Gruppen den Austausch mit Gleichaltrigen und angemessene Entfaltungsmöglichkeiten.

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